Jahre der Entscheidung
Nichts kennzeichnet die wirtschaftliche Situation Bayerns in jener Zeit besser als die Tatsache, dass erst zehn Jahre nach Ende der Napoleonischen Kriege die Neubefestigung von Ingolstadt in ein entscheidendes Stadium kam. Auch König Ludwig I. plädierte für Ingolstadt und wollte darüber hinaus sogar noch weitere Befestigungen im mittleren Bayern.
Eine Vorentscheidung fiel dadurch, dass zum künftigen Festungsbaudirektor der Oberst von Streiter und nicht der konkurrierende Oberst von Becker ernannt wurde. Bei der von ihm vorgeschlagenen runden Befestigungsmauer arbeitete von Streiter eng mit Leo von Klenze zusammen, und nachdem die beiden für sich in Anspruch nehmen konnten, Dürer'sche Gedanken aufgegriffen zu haben, konnte es keine Überraschung sein, dass dieser Entwurf den König begeistern würde.
So wurde am 29.3.1828 der sogenannte "erhöhte Entwurf" Streiters genehmigt, und bereits am 24. August 1828 legte König Ludwig l. beim heutigen Reduit Tilly den Grundstein für die "Tillyveste". Es war dies damals noch der Name für den ganzen Brückenkopf. Dass hier mit dem Bau der neuen Festung begonnen wurde, ist auch ein ganz wichtiger Hinweis darauf, welch hohen Wert die Königlich Bayerische Armee der Ingolstädter Donaubrücke beimaß.
Hatten sich von Anfang an Stimmen erhoben, dass die runde Befestigung nicht mehr zeitgemäß sei, so trat nun auch die Kostenfrage mehr und mehr in den Vordergrund, weil Steinmetzarbeiten schon in jener Zeit sehr teuer waren. Im Verlauf der jahrelangen Diskussionen wurde der General Heideck Führer der militärischen Opposition, obwohl er ein Duzfreund von Streiters war. Heideck hatte eine grobe Skizze für ein "modernes" System gefertigt. Man kann ihn daher als geistigen Vater der polygonalen Befestigung von Ingolstadt bezeichnen, da bei dieser Skizze schon zwei wichtige Elemente der künftigen Werke, die durch eine Kontergarde geschützte Kaponniere sowie die hinter den Eckpunkten des Polygonals errichteten selbständigen Kavaliere, klar erkennbar sind.
In einer neuen Kommission, in der alle Bedenken diskutiert werden sollten, dominierten die Gegner von Streiters und sprachen sich am 30. Mai 1831 gegen seinen Entwurf auf. Es dauerte aber fast noch ein Jahr, bis Streiter der Stelle als Festungsbaudirektor enthoben und Becker zu seinem Nachfolger bestimmt wurde. Ludwig hat aber dafür gesorgt, dass allen, denen er Verdienste um die Neubefestigung beimaß, Denkmäler gesetzt wurden: Streiter und Becker am noch erhaltenen Neuen FeldkirchnerTor, Heideck am Kavalier, der seinen Namen trägt.
Die Befestigung der damals noch ausschließlich am Nordufer der Donau situierten Stadt begann erst mit der Grundsteinlegung am 25. August 1834. Diese nahm der damals ranghöchste Offizier der Königlich Bayerischen Armee, Feldmarschall Fürst Wrede vor. Warum hat dies nicht der König getan, dem die Befestigung von Ingolstadt doch sehr am Herzen lag? Die Frage muss momentan noch offen bleiben, ob Ludwig l. nicht der runden Befestigung nachgetrauert hat.